Ich kenne Euch... Ihr seid Natasha, aus dem Tempel.

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber Geistliche und Magier sind wie Öl und Wasser. Und wir Magier können schon ein rätselhafter Haufen sein. Mitunter auch schattenhaft und finster... Zumindest dachte ich, ihr Geistlichen würdet uns so wahrnehmen.

Ich glaube, ich weiß, worum es geht. Um die Heiligen Steine und Prinz Lyon, nicht wahr?

Es gibt so viele Wahrheiten wie es Leute gibt, die sie berichten können. Vielleicht ist es am besten, die Wahrheit zu wählen, die Euch am ehesten zusagt.

In den Augen Eures Mentors, so kann ich es mir zumindest vorstellen, müssen wir sehr böse gewirkt haben. Er dachte sicher, dass unsere magischen Studien mit Hilfe des Heiligen Steines ein Sakrileg darstellen müssen. Ich gehe davon aus, dass er die alte Magie, die er &"dunkel&" nannte, von Grund auf verabscheut hat.

......

Hm... Nun, ich nehme an, damit habt Ihr wohl Recht. Eure Magie kommt aus dem Vertrauen in das Unverständliche, die göttliche Präsenz. Dem entgegen steht die dunkle Magie, entstanden aus Wissen und Verstehen. Wir trauen nicht dem, was wir nicht verstehen können und wir streben stets danach, das Unverständliche zu verstehen. Vielleicht sind unsere Disziplinen wirklich nicht kompatibel.

...Unsere Forschungen endeten in erbärmlichen Versagen. Grados Heiliger Stein wurde zerschlagen, Prinz Lyon verdorben... Und dann diese ganze Tragödie, die jetzt rund um uns ihren Lauf nimmt. Es ist wahr. Wir Magier haben die größte Katastrophe dieses Zeitalters ausgelöst.

Prinz Lyon wollte stets nur den Menschen helfen... und wir sind seine Diener.

Wir lasen von einem Spruch, genannt die &"Zeitschere&". Er Vermag es, ein Loch in die Zeit selbst zu reißen. Dieser Spruch faltet die Zeit, schlägt eine Bresche in Ursache und Wirkung.

Heute fehlt uns das Wissen, diesen alten Spruch zu reproduzieren. Prinz Lyon jedoch war davon überzeugt, dass wir sein Geheimnis lüften könnten. Er hoffte, wir könnten ihn dazu nutzen, zukünftige Ereignisse vorherzusehen und sie dadurch abzuwenden.

Oh, wir widmeten Jahre dem Studium dieses Spruches. Wisst Ihr, je größer das Desaster, desto weiter schickt es seine Wellen durch die Zeit. Wir lernten, die Wellen der Zukunft zu lesen, in der Hoffnung, Leben retten zu können. Wenn wir wissen könnten, wann sich eine Katastrophe ereignen würde, könnten wir die Menschen in Sicherheit bringen. Wir könnten Millionen von Leben retten.

Wollt Ihr damit sagen, obwohl wir die Zukunft kennen, sollten wir schweigen? Wir sollten einfach zulassen, dass Menschen sterben, nur um das Konzept des &"Schicksals&" aufrechtzuerhalten?

Es tut mir Leid. Ich wollte nicht feindselig klingen. Prinz Lyon selbst wurde von diesen Zweifeln geplagt. Doch wir setzten unsere Studien fort. Wir betrachteten es als unsere Pflicht. Im Interesse des Volkes von Grado.

Vielleicht waren wir verbittert, weil wir keine Anerkennung dafür erhalten haben, Grado geholfen zu haben. Auch weil wir keine Auszeichnungen für unsere Forschungen bekommen haben, oder für den Nutzen, der daraus entstanden ist. Ich weiß es nicht. Aber wir haben dennoch weitergemacht. Die irrige Auffassung, welche die alte Magie mit dem Begriff &"böse&" in Verbindung bringt, stirbt nur schwer und langsam aus. Prinz Lyon trachtete danach, dies zu ändern. Er wollte beweisen, so wie wir es alle wollten, dass unsere Magie durchaus zum Guten eingesetzt werden kann.

Mit unserer Hilfe sagte Prinz Lyon einen großen Sturm voraus, der sich im Süden erheben sollte. Er schloss die Häfen und hinderte Schiffe am Auslaufen. Oh ja, das Volk hat sich beschwert. Doch der Sturm kam und die See wütete. Wir retteten zahllose Leben. Und Prinz Lyon scherte sich nicht darum, ob ihn das Volk dafür liebte oder nicht. Er wollte es nur in Sicherheit wissen.

Und jetzt sehe ich alles so klar. All unsere Forschungen ergeben unter dem Strich rein gar nichts. Alles, was ich jetzt tun kann, ist, unseren Hunger nach Wissen zu beklagen. Unsere Gier.

...Habt Ihr noch Fragen? Ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß.

......

Und was werdet Ihr nun tun, da Ihr jetzt auch davon wisst? Habt Ihr nicht solches Wissen als blasphemisch bezeichnet?

......

...In fünf Jahren wird Grado zur Hälfte zerstört werden.

In der südlichen Hälfte des Kontinents wird sich ein schreckliches Beben ereignen. Der Boden wird erzittern. Die Erde wird zerreißen und sich auftun. Städte werden fallen. Felder werden im heißen Blut der Erde brennen. Nur wenige werden überleben. Das ist es, was wir vorhergesehen haben.

Ich rate Euch, Grado zu verlassen. Wenn Ihr in den Norden geht, nach Renais oder Frelia, so könntet Ihr der Katastrophe entrinnen.

Ihr würdet absichtlich den sicheren Tod riskieren, um einer Handvoll Menschen zu helfen?

...So spricht eine wahre Geistliche. Ihr würdet ohne zu zögern alles zurücklassen, nur um anderen zu helfen. Das ist der Unterschied zwischen Magiern und Priestern. Wissen kontra Opfer. Vielleicht erlaubt Ihr mir, Euch zu begleiten, wenn die Zeit gekommen ist...

Wenn ich Prinz Lyons Absichten in Ehren halten will, darf ich dieser Situation nicht entfliehen. Ich bin mir nicht sicher, wie ich am besten helfen kann, aber ich will nicht, dass jemand sterben muss. Nicht, wenn ich Menschen durch meine Taten retten kann.